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Konzert (mit M. Heuberger) 13.07.24 19:30 ev. Kirche Maria-Magdalena, Burgweinting
Konzert (mit M. Heuberger) 14.07.24 19:00 Neupfarrkirche, Regensburg

Erich Kästner ein beliebter Dichter und zwiespältiger Mensch

Erich Kästner ist der Autor von „Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“, „Das Fliegende Klassenzimmer“ und vielen weiteren Kinderbüchern, aber auch von „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“, vor allem aber von unzähligen Gedichten. Zugleich jedoch war Kästner ein Reporter und Kritiker der Weimarer Republik und der folgenden Nazi-Herrschaft. Dass er im Dritten Reich („… es würde vielleicht ein paar Monate dauern, höchstens ein Jahr“) glimpflich überstand, ist angesichts vergleichbarer Schicksale fast unverständlich: Waren seine Gedichte wie „Das Führerproblem, genetisch betrachtet“ oder „Marschliedchen“, teils unter Pseudonym veröffentlicht, doch starker Tobak für die Herrschenden. Selbst als er das Drehbuch zum „Münchhausen“-Film (1942) schrieb, in de eine Rolle Hitler einen Tobsuchtsanfall (und Kästner ein totales   publikationsverbot“ bescherte, wurde er, abgesehen von zwei Verhaftungen, nicht ernsthaft behelligt.

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Doch der Reihe nach: Erich Kästner wuchs als einziges Kind eines Sattlermeisters und einer Friseurin in Dresden auf. Während der Vater (vor dem 1.Weltkrieg als Sozialdemokrat bei Arbeiterstreiks „unten mit dabei“ war, war die dominierende Mutter wohl bestrebt, ihrem Sohn einen sozialen Aufstieg aus dem Arbeitermilieu zu  ermöglichen; jedenfalls war und blieb diese Mutter-Sohn-Beziehung äußerst eng: Auch als Erwachsener und erfolgreicher Autor schickte Erich seine schmutzige Wäsche noch heim zu „Muttchen“ und schrieb ihr fast täglich innige Briefe. Doch der von der Mutter vorgesehene Aufstieg durch den Besuch eines Lehreseminars führte für ihn in eine Sackgasse, sodass er sich zum Abbruch entschied. Zudem wurde er 1917 noch zum Wehrdienst einberufen; der Ausbildungsdrill (der ihm eine lebenslange Herzschwäche eintrug) führte für ihn zu einer prägenden, lebenslangen antimilitaristischen Einstellung: „Wenn man 17jährg eingezogen wurde, und die halbe Klasse ist schon tot,… war die Wut aufs Militär“ groß. So holte er nach Kriegsende ein Abitur mit Auszeichnung nach und erhielt das Goldene Stipendium seiner Heimatstadt. Mit diesem zog er um nach Leipzig, um dort ein  Studium der Germanistik mit der Promotion zu absolvieren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich durch Einnahmen als Journalist und Theaterkritiker in sämtlichen wichtigen Zeitungen. Schon da wich er  der Eifersucht gestandener Kollegen aus, indem er Pseudonyme verwendete.

Seine Zeit in Berlin (1927 bis zum Ende der Nazi-Diktatur) war  Kästners erfolgreichste und produktivste Zeit: Er publizierte im Berliner Tageblatt, in der Weltbühne (Carl von Ossietsky) und allen anderen Medien und war der Literaturstar der Weimarer Republik. Der junge Stefan Heym (damals noch unter seinem Geburtsnamen Helmut Flieg) begegnete ihm ehrfürchtig: „Mit Kästner gestaltete sich der Kontakt insofern etwas schwierig, als der Dichter den größten Teil des Tages durchschlief und erst abends lebendig wurde, wenn die Theater und Kabaretts ihre Tore öffneten und die besseren Restaurants sich zu füllen begannen; das war die Zeit, wo er sich mit Leuten traf, und erst, wenn die dann nach Hause torkelten, begann er zu schreiben – meist in einem Café am Kurfürstendamm…; dort konnte man dann, wenn er’s nach getaner Arbeit gestattete, im zarten Grau des anbrechenden Tages sich zu ihm an den Tisch setzen.“

In Berlin zeigte sich schon bald Kästners Zweiteilung der Welt: In seinen Kinderbüchern vertritt er die Hoffnung auf eine progressive Entwicklung der Menschheit hin „zum Guten“, in seinen satirischen Gedichten und Geschichten wie dem „Fabian“ hingegen zeichnet er eine „schlechte, hoffnungslos-reale Welt“ (Rodian). Reich-Ranicki meinte, Kästner liebe „das Siel mit vertauschten Rollen“. Der zeitgenössischen Kritik an seinem Schaffen, er „produziere lyrische Massenware“, seine Position sei „fern jeglicher Verantwortung“ (W.Benjamin) begegnet er mit der Bemerkung, dass der „reine“ Dichter „Konservenlyrik“ für die Nachwelt (und für spätere  Doktorarbeiten) hinterlasse, er hingegen als „Gebrauchslyriker“ liefere dem Publikum „für heute, zum Sofortessen“.

1929 erschien mit „Emil und die Detektive“ ein „Bestseller“, der allein Deutschland über zwei Millionen Mal verkauft wurde und – trotz eines Berliner „Miljiös“ - in 59 Sprachen übersetzt wurde. Diese Popularität bei Kindern und Erwachsenen war wohl eine gewisse Immunisierung Kästners, die ihm, trotz seiner nach wie vor ätzenden kritischen Lyrik am beginnenden Faschismus, vorerst die literarische Freiheit bewahrte. Doc damit war es bald vorbei: Am 10. Mai 1933 war er persönlich in der Menge, als seine und Bücher anderer am Berliner Opernplatz in die Flammen geworfen wurden: „Es war Begräbniswetter – und es war widerlich“. Die brüllende Rede von Propagandaminister Goebbels („die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners“) lässt er ebenfalls über sich ergehen.
Dennoch war er auch weiterhin mit Pseudonymen äußerst produktiv. Erst mit dem Drehbuch zum „Münchhausen“, einem typischen Durchhaltefilm, der 1943 fertiggestellt wurde, war es vorbei mit der Toleranz der Nazis: Die Rolle des Cagliostro in diesem Film „geriet“ ihm zur Hitler-Karikatur, was bei diesem zu einem Tobsuchtsanfall geführt haben soll – das totale Publikationsverbot folgte prompt. Über mehrere Jahre führte er stets sein „Blaues Buch“ mit sich: Er schrieb ein „geheimes Kriegstagebuch“, vermutlich mit der Absicht, nach dem Untergang des Dritten Reiches einen großen Roman darüber zu verfassen. Aber als er in den letzten Monaten des Krieges die Möglichkeit erhielt, mit einem Filmteam und gefälschten Papieren nach Österreich zu fahren, trifft er dort einen KZ- Überlebenden, der ihm in allen Details von Auschwitz und über die unvorstellbaren Gräueltaten dort erzählt. Dies trifft Kästner zutiefst. Ein Roman über das Dritte Reich zu schreiben, kam jetzt für ihn nicht mehr infrage.

Nach dem Ende der Naziherrschaft übersiedelte er nach München und wurde Feuilletonchef der Neuen Zeitung, die von der amerikanischen Besatzungsbehörde herausgegeben wurde,; als Reporter nahm er an der Eröffnung der Nürnberger Prozesse teil; auch im Rundfunk war er mit Reden und Aufsätzen zur Aufarbeitung der NS-Herrschaft und der Folgen des Kriegs aktiv. Diese optimistische Grundeinstellung, dass die Deutschen endlich die Nazityrannei überwunden hatten, wich mit der Währungsreform und dem „Wirtschaftswunder“ einer zunehmenden Resignation über die Tatsache, dass Deutschland einfach zur Tagesordnung überging, insbesondere die Remilitarisierung anstrebte. Seine Rede zum zehnjährigen Jahrestag des Attentats vom 20.Juli 1944 fand unter dem Titel „Von der deutschen Vergesslichkeit“ große Beachtung. Er engagierte sich gegen die Einschränkung der Pressefreiheit (auch im Zusammenhang mit der Spiegelaffäre 1962), wandte sich gegen Atomwaffen und den Vietnamkrieg.

Kästner wurde zwar 1951 zum Präsidenten des westdeutschen PEN-Zentrums gewählt, jedoch blieb ihm als Autor die Nachkriegsliteratur fremd; sein zunehmender Alkoholismus würgte seine Schaffenskraft ab. An den Folgen einer Krebserkrankung starb er am 29.Juli 1974 in Neuperlach. Erich Kästner hatte – wohl geprägt durch die erdrückende Mutterliebe seiner Kindheit – ein zwiespältiges Geschlechterbild und Verhältnis zu Frauen: Er heiratete nie, hatte aber zahlreiche kurz- und längerfristige Liebesverhältnisse; in seinen letzten Jahren pendelte er sogar zwischen seiner langjährigen Freundin und dem gemeinsamen Sohn in Berlin und seiner Lebensgefährtin in München. Auch seine Frauen und Mütter in den Kinderromanen zeugen von einem sehr traditionellen Rollenverständnis in der deutschen Familie und stehen damit im Widerspruch zu seinem Umgang mit den zahlreichen Verehrerinnen, vor allem in der Berliner Zeit. Seiner Popularität tat das keinen Abbruch.

Der Biograf Sven Hanuschek bringt dieses Leben und Werk zum 125.Geburtstag Erich Kästners mit dem Titel auf den Punkt: „Keiner blickt dir hinter das Gesicht“ (Hanser 2024).

 

Konzert & Wein 18.03.25 19:30 ev. Kirche St. Markus, Regensburg